Strukturelle Korruption
Solche Missstände, seit Jahren durch öffentliche Untersuchungen aufgedeckt, sind zweifellos eine Art struktureller Korruption, genährt von einer geradezu unheimlichen Annäherung zwischen Politik und Industrie in der französischen Wasserindustrie. Diese Form von Korruption ist sehr viel stärker verbreitet als Fälle persönlicher Bereicherung und verdeckter Parteienfinanzierung, die zu Beginn der 1990er-Jahre spektakulär ans Licht kamen. Veolia und Suez preisen nicht umsonst bei jeder Gelegenheit die pantouflage, den personellen Wechsel von leitenden Managern aus der staatlichen Bürokratie in die freie Wirtschaft, als Qualitätsmerkmal. Stéphane Richard, vorher Chef von Veolia Transport, ist seit 2007 als engster Vertrauter Sarorzys Kabinettsdirektor im französischen Wirtschaftsministerium. Jetzt wird er Generaldirektor der France Telecom. Veolias Vorstandsvorsitzender Henri Proglio ist mit Justizministerin Rachida Dati freundschaftlich verbunden und hat so einen besten direkten Kontakt zu Regierung Sarkozy /Fillon. Dominique de Villepin, von 2002 an Außenminister, dann Innenminister und von 2005 bis 2007 Premierminister Frankreichs heuerte kürzlich bei Veolia als „Internationaler Berater" an. Sylvain de Forges, seit 2003 Finanzdirektor Veolias, war vorher der erste Generaldirektor des mächtigen, für die Schulden- und Vermögensverwaltung Frankreichs zuständigen Organs im Finanzministerium "Agence France Trésor". Rainier d'Haussonville, gegenwärtig Veolias Direktor für Europäische Angelegenheiten, war bis 2004 der stellvertretende Chef des "Secrétariat général des affaires européennes" im Außenministerium. Danach wurde er Chef der Abteilung für europäische ökonomische Fragen des französischen Premierministers (2005-2007). Der Politikwissenschaftler Gérard Le Gall, Berater von Ministerpräsident Jospin für Meinungsumfragen, quittierte im Juli 2004 seinen Universitätsposten und wechselte zu Suez. Eric Besson war vor den letzten Präsidentschaftswahlen, bevor er sich Sarkozy angeschlossen hat, verantwortlich für das Wirtschaftprogramm der Sozialistischen Partei. Davor stand er in den Jahren 1998 bis 2002 an der Spitze der Vivendi(heute Veolia)-Stiftung.
Die meisten derer, die im Bereich der französischen Wasserindustrie durch die „Drehtür" von Politik und Big Business gegangen sind, haben die Edelhochschule ENA absolviert - sogar der Deutsche Joachim Bitterlich, Executive Vice President Veolias. Kein Wunder, dass man in Frankreich darauf anspielend spottet, Veolia (bis 2002 Vivendi) sei in Wirklichkeit eine Abkürzung für "VIVier pour ENarques en DIsponibilité", "Rekrutierungsbecken für verfügbare ENA-Absolventen". Ganz nebenbei ist „selbstverständlich" die Weltbank Veolia-Aktionär und der französische Staat Hauptaktionär.