Themen des Films
Die Wasserversorgung ist weltweit noch zu mehr als 80% in öffentlicher Hand. Doch überall, wo finanziell klamme Kommunen nach Entlastung suchen, klopfen die weltgrößten Wasserkonzerne Veolia und Suez an die Tür. Innerhalb der letzten 10 Jahre hat allein Veolia es geschafft,  nach eigenen Angaben in 450 deutschen Städten die Wasserversorgung zu übernehmen oder an ihr beteiligt zu werden. Mittlerweile ist der französische Konzern incl. seiner Beteiligungen im Trink- und Abwasserbereich etwa gleichauf mit Gelsenwasser der größte Versorger in Deutschland. Ähnliche Expansionserfolge sind in Polen, den Baltischen Republiken, Lettland, Estland, Litauen, der Tschechische Republik, der Slowakei, Rumänien, Italien, Spanien, den USA und nun auch in China zu verzeichnen, wo Veolia laufend die Unterschrift neuer Verträge verkündet. Wenn in Kalifornien Wasserknappheit droht, empfängt Schwarzenegger Veolias Vorstandsvorsitzender Henri Proglio. Derselbe ist auch  für Chinas Präsident die erste Adresse, wenn das aufstrebende Land ein 100 Mrd.$ Programm zur Erneuerung der Abwasserversorgung auflegt ...  Bereits in mindestens 69 Ländern auf allen fünf Kontinenten sind Veolia und Suez präsent - ist das der unaufhaltsame Aufstieg zweier Wassergiganten zur weltweiten Hegemonialmacht einer privatisierten Wasserversorgung?


Modell Frankreich
Ausgerechnet in Paris, dem Sitz der Konzernzentralen, sieht man das anders. Paris und mehr als hundert andere französische Gebietskörperschaften haben beschlossen, die Kontrolle über das Lebenselixier Wasser zurückzuholen. Wenn die Verträge mit Veolia auslaufen, sollen diese lebenswichtigen Dienste in öffentlicher Regie betrieben werden. Paris kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Dort laufen die Verträge mit Veolia und Suez Ende 2009 aus. Im November 2008 hat die stellvertretende Bürgermeisterin und Vorsitzende von „Eau de Paris", Anne Le Strat, den Beschluss verkündet, die Stadt werde mit dem 1.1.2010 die Wasserversorgung komplett in öffentliche Hand zurückführen. In Fachzeitschriften wird die zierliche Grünen-Politikerin bereits mit Maggie Thatcher verglichen. Während die eiserne Lady der Ära des Neoliberalismus zum Durchbruch verhalf, setze Anne Le Strat in einer Welt der Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen das Fanal für die Rückkehr zum kommunalen Dienst.

Woher kommt es, dass sich Kommunen ausgerechnet im Heimatland des Konzerns mehr und mehr von Veolia&Co abwenden? 


Im Herzen der Macht
Die Basis der weltweiten Expansion Veolias ist das sog. „französische Modell der Wasserwirtschaft". Danach beziehen 8 von 10 Franzosen ihr Wasser von einem privaten Betreiber, in städtischen Ballungsgebieten sind es sogar neun von zehn. Drei Unternehmen teilen sich diesen Markt: Veolia an der Spitze, daneben und oft mit Veolia in Gemeinschaftsunternehmen verbunden Suez und letztlich die deutlich kleinere Saur. Gemeinsam bilden die drei ein strukturelles und undurchsichtiges Monopol. Seit den 80er Jahren haben sie es auch auf Medien, insbesondere auf die französische TV-Landschaft ausgedehnt: Saur ist an TF 1, Veolia an Canal Plus und Suez an M6 beteiligt.

Die vielfältigen Mißbrauchmöglichkeiten dieser dominanten Positionen werden dadurch verstärkt, dass Veolia in vielen Städten nicht nur das Wasser, sondern praktisch alle Bereiche der öffentlichen Grundversorgung beherrscht. Strom, Gas, Müllentsorgung, Fernheizung, Stadtreinigung, Nahverkehr, Kantinen, Gesundheitsfürsorge - Veolia hat das vollständige Dienstleistungsprogramm von Stadtwerken für Siedlungen aller Größen im Programm. Viele Städte nicht nur in Frankreich, auch in England, Deutschland, ja in der ganzen Welt greifen gerne auf dieses Angebot zurück, vor allem auch, weil der Konzern über unübertroffenes Know-how in dem Bereich verfügt, den man heute als Finanztechnik bezeichnet. Und finanztechnische Kompetenz ist in Zeiten knapper öffentlicher Kassen mindestens ebenso wichtig wie die technische Beherrschung der Wasserwirtschaft. Viele Gemeinden laufen dabei allerdings  Gefahr, vom überlegenen Konzern über den Tisch gezogen zu werden


Die schwäbische Version des „Französischen Modells“
Seit 2003 geht auch die Baden-Württembergische Hauptstadt Stuttgart den „französischen" Weg - nicht aus Finanznot wie andere deutsche Kommunen, sondern aus voller ideologischer Überzeugung. 2003 verkauft OB Dr. Wolfgang Schuster in Übereinstimmung mit allen Ratsfraktionen die Trinkwasser-, Strom und Gasversorgung mit schwäbischer Gründlichkeit zu 100% - allerdings mit einer nach französischem Muster auf 2013 befristeten Betreiberlizenz. (Diese Einschränkung dient dem OB über viele Jahre als „Beleg" für seine wiederholte Behauptung, die Stuttgarter Wasserversorgung sei noch immer kommunal). Käufer sind die EnBW, der drittgrößte deutsche Energieversorger. Kommunale Zweckverbände aus Baden-Württemberg halten an ihm zwar die knappe Mehrheit, 50,64%. In bekannter Manier obliegt die Geschäftsführung aber dem Minderheitseigner EdF (Electricité de France). Der französische Energieriese, der 58 Atommeiler betreibt und sich gerade von 2 leitenden Managern trennt, weil sie Greenpeace u.a. bespitzelt und unterwandert haben, ist an Wasser nicht interessiert. Ihm geht es allein um die Wahrung und den Ausbau seiner Position im Energiemarkt. Deshalb hat EDF von Neuerwerbungen früher oder später die Wassersparte stets an Veolia abgetreten. Und das nicht zufällig. EDF ist der fünftgrößte Anteilseigner von Veolia Environnement (Gesamt). Außerdem hält der Konzern 34% der Anteile an der Energiesparte Veolias "Veolia Energy". 
Der strategische Partner Veolias will seit jeher die Aktienmehrheit bei EnBW. 2005 ist EDF damit vorerst gescheitert und begnügt sich seither mit 45,1% und der Geschäftsführung. Doch das Gerangel um den Energiemarkt geht weiter. EnBW, die Nr.3 in Deutschland, hat jetzt z.B. den Einstieg bei der Nr.5, der EWE AG, vereinbart - die Genehmigung des Kartellamts steht noch aus. Welche dieser Vorstöße auch erfolgreich sein werden. Die Electricité de France wird sich nur mit Expansion begnügen. Und das heißt auf jeden Fall, dass die kommunalen Zweckverbände aus Baden-Württemberg ihre Mehrheit in der EnBW verlieren und das Stuttgarter Wasser in andere Hände geraten kann. Hinzu kommt, dass nun auch die kommunalen Zweckverbände (Bodensee ZV und Landes ZV), die das Stuttgarter Wasser fördern und liefern, in Gefahr geraten. Dadurch dass seit der Privatisierung die EnBW auch an den Zweckverbänden beteiligt ist, müssen sie ihre Dienste künftig nach EU-Recht europaweit ausschreiben.

Diese Perspektive schreckt selbst die einst so privatisierungsfreundliche SPD-Mehrheitsfraktion im Gemeinderat auf. Die kommende Kommunalwahl im Auge fordert sie die Rekommunalisierung der - „eigentlich noch kommunalen" - Stuttgarter Wasserversorgung. Und OB Dr. Wolfgang Schuster verkündet: EnBW sei auch verhandlungsbereit. Mittlerweile ist das Ergebnis der Vorverhandlungen bekannt. An der wieder gegründeten Stuttgarter Wasserversorgung sollen Stadt und EnBW zu je 50% beteiligt sein. Für die Rückgabe der Anteile an den Zweckverbänden, die EnBW 2003 als kostenlose Beigabe erhaltenen hatte, bekommt der Konzern 80 Mio. €. Und im Kleingedruckten steht wie immer das beste: Die Lizenzzeit wird vor Ablauf ohne jede Neuverhandlung bis 2024 verlängert.


Finanztechnik als wichtigstes Know-How
2003 deckte die Bürgerinitiative „Eau Secours 31" auf, was es mit dem sog. "Eintrittsgeld" auf sich hat, das die Compagnie Générale des Eaux (heute Veolia) bei Abschluss des Konzessionsvertrags mit Toulouse gezahlt hatte. Diese 437,5 Millionen FF feierte der damalige Bürgermeister Dominique Baudis als den großen Extraerlös des Deals mit Veolia. Damit konnte die Stadt Haushaltslöcher stopfen, den Bau einiger öffentlicher Einrichtungen unterstützen und die lokalen Steuern senken.  „Eau Secours 31" bekam dann aber einen geheimen Passus des Konzessionsvertrags in die Hand. Er sieht erhöhte Wasserpreise zur Finanzierung des Eintrittsgeldes vor. Nicht Veolia, sondern die Toulouser Wasserkunden bezahlen das Eintrittsgeld. So erhält Veolia bis zum Ende der Vertragslaufzeit in 2020 sogar mehr als das Dreifache dessen, was der Konzern einst angeblich als „Geschenk" an die Stadt gezahlt hatte. Ein schöner Extraprofit für Veolia. Doch die erhöhten Gebühren sind auch versteckte Steuern. Die Wasserkunden bezahlen damit faktisch die mit dem Eintrittsgeld finanzierten Extraausgaben der Stadt. Das ist seit 1995 gesetzeswidrig. In Frankreich dürfen Wassergebühren nur in den Wasserbereich fließen!

Der im März 08 neugewählte Bürgermeister von Toulouse Pierre Cohen strebt nun im Bündnis mit der Bürgerinitiative „Eau Secours 31" einen frühzeitigen Ausstieg aus dem Vertrag mit Veolia an. Sein Ziel: die Rekommunalisierung der Wasserversorgung in Toulouse.


Aus Abwasser Gold
Inzwischen ist in Frankreich das sog. Eintrittsgeld verboten. Finanztechnik heißt aber auch, Verbote aller Art geschickt zu umschiffen. Und diese Disziplin beherrscht Veolia im internationalen Geschäft natürlich ebenso. 2005 kaufte der Konzern nach den Stadtwerken auch die Abwasserwirtschaft Braunschweigs. Der einstige NPD-Mann und jetzt für die CDU antretende OB Dr. Gert Hoffmann jubelt: Gebührenstabilität für 10 Jahre vereinbart! Und mit über 240 Mio. € ein außerordentlich hoher Privatisierungserlös! 
Peter Rosenbaum, Braunschweiger Unternehmer, ist verwundert. In seinen Büchern kann er teilweise bis ins 19.Jh. nachweisen, dass die Eigentümer als Anlieger den Bau der Abwasseranlage rund um die Grundstücke zu großen Teilen selbst bezahlen mussten. Zudem erhielt die Stadt bereits zu DM-Zeiten 300 Mio. DM von der ausgegründeten Stadtentwässer als Ausgleich für die Steueraufwendungen beim Bau der Abwassereinrichtungen. Wie kann die Stadt etwas veräußern, in dem nachwieslich keinerlei Steuergelder stecken?  Peter Rosenbaum und eine Sammlung von Bürgerinitiativen gründen die Bürgerliste „Unser Braunschweig" mit dem Anliegen, die Vorgänge um die Veräußerung öffentlichen Eigentums an Veolia aufzuklären. Erste Recherchen bringen die größte Uberraschung: Statt 240 Mio.€ zahlt Veolia nur 24 Mio. € für Brauschweigs Stadtentwässerung. Der Rest des „Kaufpreises" stammt komplett aus einem Kredit des Braunschweiger Abwasserverbandes. Der verpfändete dafür die Gebühreneinnahmen der nächsten 30 Jahre. Für die Tilgung ist die Stadt verantwortlich ist. Das heißt Braunschweigs Bürger zahlen faktisch 90% des Kaufpreises - und das mit Einredeverzicht. D.h. innerhalb der nächsten 30 Jahre muß die Stadt den Kredit samt Zins und Zinseszins zurückzahlen ganz unabhängig davon, ob Veolia noch Leistungen erbringt, sich zurückgezogen oder Insolvenz angemeldet hat! Der Globalplayer Veolia erhält als „Gegenleistung" dafür kostenlos das Nutzungsrecht an Braunschweigs Abwasserkanälen.
Ungläubige Verblüffung folgt, als Rosenbaum bisher geheim gehaltene Verträge in die Hände bekommt: Selbst die 24 Mio. des „realen Kaufpreises" stammen aus einem von der Stadt ermöglichten Kredit. Auch hierfür wird ein Teil der Gebühreneinnahmen verpfändet, natürlich auch mit Einredeverzicht, dies alles, damit „der arme Investor" keine Eigenmittell einsetzen muß, Und damit nicht genug: Veolia fand in den Kassen der Neuerwerbung 38 Mio. Einlagen vor, die die Stadt dem Globalplayer als „Rücklage für künftige Ertragsrisiken" überlassen hatte! Veolia hat somit auch rein rechnerisch summa summarium keinen Cent für die Neuerwerbung aufgewendet. Den Kaufpreis zahlen allein Braunschweigs Bürger und die Gebührenzahler der kommenden Generation!

Die Liste „Unser Braunschweig"ist inzwischen ins Stadtparlament eingezogen und macht eine neue Entdeckung: Mit der wundersamen Art der Bezahlung der Neuerwerbung will der französische Konzern den Betrieb auch künftig betreiben. Man werde weniger reparieren, dafür aber das Kanalnetz durch großzügige Neuinvestitionen in Ordnung halten, verkündet eine Pressemitteilung des Konzerns. Investitionen aus eigenen Mitteln? Natürlich nicht! Für die Investitionsmittel ist im Konzessionsvertrag vereinbart, dass dem Konzern über 30 Jahre jährlich mindestens 7,5 Mio. € weitere Kredite gewährt werden. Und auch für diese werden die künftigen Gebühreneinnahmen verpfändet. So müssen Braunschweigs Gebührenzahler nach Ablauf der 30 Jahre zusätzlich die Investitionsaufwendungen des Betreibers ablösen, also einen summierten Kredit von mindestens 215 Mio. €. 
Jetzt möchte Veolia von der Stadt auch noch den Namen „Braunschweiger Stadtwerke" kaufen. Das Unterkriechen unter den alteingeführten Leitbegriff lokaler Kommunalwirtschaft ist dem Globalplayer einiges wert. Rosenbaum ist schon gespannt, wer diesen Etikettenschwindel bezahlen wird ...?

Die Frage, wieso Politiker ohne Not öffentliches Eigentum praktisch verschenken und die Bürger darüber hinaus noch derart belasten, hat in der CDU-Hochburg Braunschweig die Bürgerliste „Unser Braunschweig" stark gemacht. Seither fühlt sich OB Hoffmann bedroht und hat selbst seinen Gang zur Toilette im Stadtparlament mit Sicherheitsglas separiert. Kritische Fragen zur Privatisierung beantwortet er immer nur mit der Feststellung: „Mit der Privatisierung wird es keinem Bürger schlechter gehen". Im Gegenteil, Braunschweig sei auf dem richtigen Weg, was das sehr gute Abschneiden Braunschweigs mit Platz 14 beim Ranking der 50 größten Städte Deutschlands in der Wirtschaftswoche belege. Besonders erfreulich sei , dass die Stadt bei der Bewertung der Sparsamkeit und des Schuldenabbaus sogar den ersten Platz belegt. Denn Braunschweig sei mittlerweile schuldenfrei .... Nicht aber, wenn man die verdeckten Kredite der Stadt hinzurechnet, kontert Peter Rosenbaum. Schließlich sei der angebliche Verkaufserlös für Braunschweigs Abwasser nichts anderes als ein verdeckter Kredit - in Worten des OB Hoffmann „fremde Kredite", die den großen Vorteil haben, nicht im städtischen Haushalt aufzutauchen. Bei einem jährlichen Haushalt von 600 Mio. zahlt die Stadt Braunschweig infolge der Abwasserprivatisierung jetzt schon 318 Mio. summierte „fremde Kredite" ab!

2004 hatte der texanische Konzern TXU 74,9% die Brauschweiger Stadtwerke gekauft. Die große Hoffnung war, Braunschweig werde das Zentrum der europäischen Expanision des Konzerns. Kein Jahr später meldet TXU Konkurs an. Und der englische Konkursverwalter verkaufte die TXU-Anteile an Veolia, einen stabilen, weltweit expandierenden Konzern. Mittlerweile gehört Veolia ein Großteil der öffentlichen Versorgung Braunschweigs. Dr. Ulrich Lehmann-Grube schaffte es als Vorstandsvorsitzender von BS/Energy und zuletzt auch Vorsitzender der Geschäftsführung von Veolia Wasser das „Modell Brauschweig" als das Erfolgsmodell im Weltkonzern zu etablieren. Seit September 08 sind Veloia-Aktien aber im freien Fall (von knapp unter 50€ auf 15€ im März 09). Veolia entdeckt nun einen dringenden Kapitalbedarf. Allein in Deutschland sollen in 3 Jahren Beteiligungen im Volumen von 3 Mrd. € verkauft werden, allein dieses Jahr sollen dadurch schon 1 Mrd. € zusammenkommen. Man will Investitionen massiv zusammenstreichen. Im März 09 muß Dr. Lehmann-Grube seinen Hut nehmen. Seither überschlagen sich Gerüchte und selbst auf einer betriebsversammulung gibt es nur noch ein Thema: Ist BS/Energy das Juwel, das Veolia verkaufen will/muss?


Geheime Verträge
Stets ist es ungeheuer schwer, die wundersamen und verschlungenen Wege der Finanzierung Veolias & Co aufzudecken. Die entscheidenden Verträge sind meist geheim. Der private Vertragspartner lässt sich in der Regel vertraglich zusichern, dass er öffentlichen und juristischen Überprüfungen dauerhaft entzogen bleibt. Selbst Abgeordnete haben nicht das einklagbare Recht auf Einsicht.  In 2000 wurden in Berlin 49,9% der Wasserwerke der deutschen Hauptstadt verkauft - an 2  Global Player des Wassergeschäftes, RWE und Veolia. Vier Jahre lang galt dies als vorbildlicher Deal: knapp 2 Milliarden ins Haushaltsloch gestopft, die Preise konstant und die Stadt blieb Mehrheitseignerin. Doch dann deckte die ehemalige Berliner Abgeordnete Gerlinde Schermer, z. Zt. der Privatisierung  Mitglied des Wirtschaftsausschusses, geheime Verträge zugunsten der Privaten auf. Darin wird z.B. die Geschäftsführung in die Hände der Global Player gelegt, obwohl sie nur Minderheitseigner sind. Die meisten Berliner Abgeordneten wussten davon nichts, als sie den Verkauf billigten. Der geheime Konsortialvertrag garantiert den Privaten weiterhin einen Gewinn von ca. 8 Prozent zzgl. garantierter Steigerung. Wird die Rendite nicht erreicht, ist der Berliner Senat  entschädigungspflichtig.  2004 musste die Stadt deshalb auf 41,2 Millionen Euro verzichten. Im selben Jahr stiegen die Wasserpreise um 15 Prozent. In den folgenden drei Jahren um weitere 15 Prozent. In all den Jahren verzichtete das Land notgedrungen auf einen Teil seines Gewinnanteils - andernfalls, so drohen die Privaten, seien die Preiserhöhungen fast doppelt so hoch.

Daran ändert auch ein Urteil des Berliner Verfassungsgerichts nichts, das die Renditegarantie in der vorgesehenen Höhe für unrechtens erklärt hatte. Denn der Konsortialvertrag sieht eine Entschädigungspflicht des Berliner Senats auch im Falle nachteiliger Gerichtsentscheide vor - die Ansprüche der Globalplayer bleiben so gewahrt unabhängig von Recht, Gesetz und demokratischen Entscheidungen. Als 2007 ein vom Berliner Wassertisch initiiertes Volksbegehren in erster Stufe erfolgreich die Offenlegung der geheimen Verträge einforderte, wurde es für rechtswidrig erklärt. Der geheime Charakter der Verträge könne auch durch Volksentscheid nicht angetastet werden.


Jenseits demokratischer Kontrolle
Vielfältige Varianten undurchsichtiger Finanzierungswege, geheime Verträge, mangelnde demokratische Kontrollmöglichkeiten, Korruption und langfristig kontinuierliche Preissteigerungen sind die hervorstechenden Merkmale tausender Wasserunternehmen der Globalplayer Veolia und Suez in aller Welt, sei es in Berlin, Klagenfurt, Budapest, Bukarest, Odessa, Tblissi, Jerivan, Soweto, Casablanca, im chinesischen Haikou, in der italienischen Provinz Latina ... oder auch in Paris.

Als Anne Le Start 2001 als Vorsitzende von „Eau de Paris" ernannt wurde, fand sie sich in einer reinen Männerwelt wieder mit einem höchst undurchsichtigen System der Pariser Wasserversorgung. Ein in dieser Angelegenheit heftigsten Korruptionsverwürfen ausgesetzter Bürgermeister Jacques Chirac hatte es einst kreiert: Die Distribution des Wassers, also die tausende Kilometer Rohre, das Rechnungswesen u.ä., ist privat und gehört auf der linken Seine - Seite „Suez", auf der rechten „Veolia". Dagegen wird die Produktion des Trinkwassers und Abwasserklärung kommunal verwaltet - eigentlich, denn auch im Produzentenverband „Eau de Paris" waren Veolia und Suez bis 2007 mit 30% Aktien bestens vertreten.

Diese Struktur strotzt vor Überlappungen von Kompetenzen. Am schlimmsten sei aber laut Anne Le Strat der Kontrollverlust der Kommune in entscheidenden Fragen: Wie passen die realen Leistungen von Veolia und Suez mit ihren exorbitanten Profiten zusammen? Entsprechen die in Rechnung gestellten Preise auch tatsächlich der geleisteten Arbeit? Wie hoch sind die tatsächlichen Bürokosten im Verhältnis zu den auf die Wasserrechnung aufgeschlagenen? Wie viele der hier abgerechneten Mitarbeiter Veolias und Suez` sind tatsächlich für Pariser Belange abgestellt? Sind die ungeheuren Mittel, die ihnen über Jahre zuflossen, um das Rohrnetz zu pflegen, in Stand zu halten und zu erneuern -  sind sie wirklich für diese Zwecke genutzt worden? Wurde die gewaltige Expansion von Veolia und Suez nicht auch aus Pariser Gebühren finanziert? Lille, Lyon, Toulouse, Rennes, Ile de France, Bordeaux, Grenoble: Eine traurige Chronik der letzten Jahre von überhöhten Preisen, Korruption, Veruntreuung und verschwundener Investitionsmittel drängt diese Fragen auf.


Strukturelle Korruption
Solche Missstände, seit Jahren durch öffentliche Untersuchungen aufgedeckt, sind zweifellos eine Art struktureller Korruption, genährt von einer geradezu unheimlichen Annäherung zwischen Politik und Industrie in der französischen Wasserindustrie. Diese Form von Korruption ist sehr viel stärker verbreitet als Fälle persönlicher Bereicherung und verdeckter Parteienfinanzierung, die zu Beginn der 1990er-Jahre spektakulär ans Licht kamen. Veolia und Suez preisen nicht umsonst bei jeder Gelegenheit die pantouflage, den personellen Wechsel von leitenden Managern aus der staatlichen Bürokratie in die freie Wirtschaft, als Qualitätsmerkmal. Stéphane Richard, vorher Chef von Veolia Transport, ist seit 2007 als engster Vertrauter Sarorzys Kabinettsdirektor im französischen Wirtschaftsministerium. Jetzt wird er Generaldirektor der France Telecom. Veolias Vorstandsvorsitzender Henri Proglio ist mit Justizministerin Rachida Dati freundschaftlich verbunden und hat so einen besten direkten Kontakt zu Regierung Sarkozy /Fillon. Dominique de Villepin, von 2002 an Außenminister, dann Innenminister und von 2005 bis 2007 Premierminister Frankreichs heuerte kürzlich bei Veolia als „Internationaler Berater" an. Sylvain de Forges, seit 2003 Finanzdirektor Veolias, war vorher der erste Generaldirektor des mächtigen, für die Schulden- und Vermögensverwaltung Frankreichs zuständigen Organs  im Finanzministerium  "Agence France Trésor".  Rainier d'Haussonville, gegenwärtig Veolias Direktor für Europäische Angelegenheiten, war bis 2004 der stellvertretende Chef des "Secrétariat général des affaires européennes" im Außenministerium. Danach wurde er Chef der Abteilung für europäische ökonomische Fragen des französischen Premierministers (2005-2007). Der Politikwissenschaftler Gérard Le Gall, Berater von Ministerpräsident Jospin für Meinungsumfragen, quittierte im Juli 2004 seinen Universitätsposten und wechselte zu Suez. Eric Besson war vor den letzten Präsidentschaftswahlen, bevor er sich Sarkozy angeschlossen hat, verantwortlich für das Wirtschaftprogramm der Sozialistischen Partei. Davor stand er in den Jahren 1998 bis 2002 an der Spitze der Vivendi(heute Veolia)-Stiftung.

Die meisten derer, die im Bereich der französischen Wasserindustrie durch die „Drehtür" von  Politik und Big Business gegangen sind, haben die Edelhochschule ENA absolviert - sogar der Deutsche Joachim Bitterlich, Executive Vice President Veolias. Kein Wunder, dass man in Frankreich darauf anspielend spottet, Veolia (bis 2002 Vivendi) sei in Wirklichkeit eine Abkürzung für "VIVier pour ENarques en DIsponibilité", "Rekrutierungsbecken für verfügbare ENA-Absolventen".  Ganz nebenbei ist „selbstverständlich" die Weltbank Veolia-Aktionär und der französische Staat Hauptaktionär.


Im Würgegriff privater Kompetenz und Monopolmacht
Wenn sich Paris Ende 2009 endgültig von Veolia und Suez trennt, so ist dies keineswegs eine einfache Siegerstraße. Sehr groß sind die verbleibenden Abhängigkeiten von den global agierenden Konzernen. Auch in den 144 Gemeinden der Paris umschließenden Ile de France ist eine heftige Diskussion entbrannt, ob der 2010 auslaufende Vertrag mit Veolia und Suez verlängert werden soll. Die Befürworter einer Erneuerung der Konzession befürchten, dass der Wasserverband ohne die technische und personelle Kompetenz von Veolia und Suez in große Schwierigkeiten geraten könnte. Tatsächlich haben sich die Kommunen in der Vergangenheit nicht damit beschäftigt, Fachkräfte der Wasserwirtschaft auszubilden, noch haben sie eigene Forschung betrieben. Die Entwicklung der Technik und der Ausbildung in diesem Sektor ist in Frankreich faktisch das Monopol von Veolia, Suez und Saur.

Anne Le Strat führt uns zu einer Baustelle, wo Wasserrohre offenliegen und Techniker Rohrbruchsensoren anschweißen. Eine Erfindung von Veolia patentiert und von der EU als Standardtechnik zertifiziert, mit der Lekagen aus der Ferne lokalisierbar sind. Diese Technik muss sich der künftige kommunale Wasserverband „Eau de Paris" von Veolia zu Monopolpreisen einkaufen. Hier Alternativen zu finden, ist nicht leicht - ebenso wie bei der Wasserkontrolle, für die früher in jedem Departement öffentliche Labore verantwortlich waren. Heute ist es die Aufgabe der drei Multis Eurofins, Carso und Pasteur Lille. Alle drei unterhalten enge Beziehungen zu Veolia, Suez und Saur.


Kommunale Gegenwehr ist möglich
Jacques Perreux, der Vize-Präsident des „Conseil Général du Val de Marne (General Rat von Val de Marne), ist stolz, dass er zumindest über die kommunale Abwasserwirtschaft des Départements  gebietet. Der Abwasser preis liegt hier weit unter dem der von Veolia beherrschten benachbarten Agglomerationen der Ile de France. Trotzdem sind die Klärwerke auf vorbildlichem technischen Niveau. Mit dem Plan, in den nächsten Jahren auch das Regenwasser zu klären, liegt Val de Marne sogar europaweit auf einem der einsamen Spitzenplätze. Nur das Monopol der privaten Labore zur Untersuchung der Abwasserqualität macht ihm Sorgen. Deshalb hat er zusammen mit Anne Le Strat und einigen Paris nahen Gemeinden die Initiative gestartet, ein gemeinsames kommunales Labor zu bauen, das im Pariser Raum unabhängig von privaten Laboren die Wasserqualität beurteilen kann.


Veolia-Standards durch die Hintertür
Bei der Festlegung der Standards für Wasserqualität, - kontrolle und Technik spielt mittlerweile die EU eine zentrale Rolle. Und auch hier sind wie selbstverständlich Spezialisten von Veolia und Suez beteiligt. So konnte man im vergangenen Sommer überall entlang der französischen Küste Autos und Menschen in Arbeitskleidung mit dem bekannten Veolia Aufdruck sehen. Gerade rechtzeitig für die Saison wurde die neueste Erfindung des Konzerns zur Kontrolle der Wasserqualität an Badestränden nach EU-Norm zertifiziert. Für eine Dienstleistung, die die Gemeinden vorher in Eigenregie gemacht haben, müssen sie jetzt ordentlich in die Tasche greifen.


Schlüsselrolle in der EU-Wasserforschung
Veolia ist aktiv beteiligt an den aktuellen EU-Wasserforschungsprogrammen, vor allem aber ist der Konzern ein Key Player in der direkt bei der EU-Kommission angesiedelten technischen Plattform für Wasserversorgung und Hygiene WSSTP. In deren 10-köpfigen Komitee sitzen allein 3 Veolia-Beschäftigte einschließlich des WSSTP-Vize-Präsidenten Xavier Chazelle. Suez und Veolia finanzieren zusammen mindestens 60% der Fördermittel des Komitees. Ursprünglich war die Plattform eingerichtet worden, um die nachhaltige Entwicklung, die Erreichung der Milleniumsziele der Vereinten Nationen und die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wasserindustrie zu fördern. 2008 war von den drei Zielen offiziell nur noch das letzte übrig. Beim Mitgliedertreffen im Juni 2008 ging es dann auch nur noch um neue Technologien rund ums Erfassen und Klären von Abwasser.  Kaum noch Beachtung fanden ürsprüngliche Themen wie das Schützen und Bewahren von Grundwasserressourcen und die Förderung von biologischer Landwirtschaft, um Grundwasser vor Pestiziden und das Land vor Austrocknung zu bewahren. Derartiges, so verkündete ein Veolia-Vertreter, falle in die Verantwortung des Staates. Der Markt der (privaten) Wasserindustrie sei verschmutztes Wasser. Und niemand könne wollen, dass dieses Marktvolumen schrumpft.


Nachhaltig und verantwortlich?
In einem Memorandum an das EU Umweltkommissariat von Ende 2007 fragt Veolia in diesem Zusammenhang: „Ist es zu verantworten, dass der Kunde für Maßnahmen des Nachfragemanagements" (Maßnahmen zur Reduzierung des Wasserverbrauchs, zum Schutz der Ressource Grundwasser etc.) „höhere Wasserpreise zahlen muss, wenn die Erschließung zusätzlicher Wasserressourcen günstiger ist?" Mit anderen Worten: Wenn das Sanieren brüchiger Rohre und die langfristige Nutzung vorhandenen Grundwassers teurer ist als die Gewinnung recycelten Wassers aus Oberflächenwasser, Abwasser oder Entsalzung , warum dann Rohre sanieren und das empfindliche Grundwasser schützen? Warum dann noch Nachhaltigkeit? Insbesondere wenn dies den benötigten  Wasserverbrauch reduziert und damit die Rendite Veolias!  Offiziell wirbt Veolia insbesondere in Deutschland mit dem Nachhaltigkeitsanspruch, verfasst ausführliche Nachhaltigkeitsberichte und verkündet Glanzleistungen für die Umwelt. Wie passt dieses Image zu der die natürlichen Ressourcen missachtenden knallhart an Rendite ausgerichteten Politik in Brüssel?

2006 verpasste sich Veolia auch das Image „Verantwortliche Lobbyarbeit" und veröffentlichte unter diesem Titel angelehnt an die UN-Initiative für transparentes Lobbying Daten über die Lobby Aktivitäten des Konzern. In dieser Veröffentlichung erwähnt Veolia bezüglich der EU die Beteiligung an zwei Wasserorganisationen (EUREAU and Aquafed), einer Wasserwirtschaftslobbygruppe (Business Europe) und an einem Thinktank (Confrontationes Europe). Unabhängige Beobachter der „Corporate Europe Observatory"  haben aber bereits die Beteiligung an 7 Wasser-, 11 Wirtschaftslobbygruppen und 5 Thinktanks nachgewiesen. Wie lässt sich dies mit dem Image „Verantwortliche Lobbyarbeit" vereinbaren?


Strippen ziehen im Dunklen
Tatsächlich zieht es der Globalplayer vor, seinen Einfluss auf die EU im Verborgenen geltend zu machen - über ein selbst für Experten kaum zu durchschauendes Gewirr von nachweisbar über 50 Organisationen mit mehr oder minder direkter Beteiligung Veolias. Und natürlich funktioniert auch in Brüssel die „Drehtür", die die Grenze zwischen Konzerninteressen, Nationalstaat und EU so schwimmend macht. Als Beispiel hier nur 3 „dicke Fische":  Der Vorstandsvorsitzende von Suez, Yves Thibault de Silguy, ist ehemaliger EU-Kommissar. Er lehrt an der französischen École Nationale des Ponts et Chaussées, der Hochschule für Straßen- und Brückenbau, die in jedem Jahrgang 120 Ingenieure ausbildet. Gleichzeitig leitet er den Bereich Kommunikation im Fachverband für die Berufe der Wasserwirtschaft - einer gemeinschaftlichen Gründung von Suez, Vivendi und Saur. Außerdem rühmt er sich, der französischen Linksregierung angehört zu haben. Joachim Bitterlich, Executive Vice President Veolias, war mehr als elf Jahre engster Mitarbeiter von Bundeskanzler Helmut Kohl, zunächst für Fragen der Europapolitik, 1993 bis 1998 als Leiter der Abteilung für Außen-, Entwicklungs- und Sicherheitspolitik im Bundeskanzleramt. Ein „Zeit"-Artikel von 1998 bezeichnete ihn als „Nebenaußenminister" und „mächtigsten Beamten in Bonn" Sein herausragendes Engagement für die EU verschafft ihm bis heute Einfluss und großes Vertrauen in Brüssel.  Stéphane Buffetaut, Veolias Direktor für die EU-Beziehungen, war Mitglied des europäischen Parlaments und sitzt noch im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA)....


Privilegierter Zugang zu EU-Entscheidungsprozessen
Insgesamt beurteilt „Corporate Europe Observatory" Veolias Struktur der gesamten Einflussnahme auf die EU mit der Höchstnote „Privilegierter Zugang zu den EU-Entscheidungsprozessen". Veolias Einfluss zielt dabei wesentlich in zwei Richtungen. Zum einen wird Druck ausgeübt, um teure und energieintensive Säuberungstechniken durchzusetzen statt Maßnahmen zur Erhaltung von Wasserressourcen. Zum anderen versucht Veolia die Gesetzgebung zu beeinflussen, um Konkurrenten, speziell die öffentlichen Wasserversorger zurückzudrängen. Veolias Bestrebungen, Wasser als gewöhnliche Dienstleistung dem EU-Wettbewerbsgesetz unterzuordnen, wurden von der EU-Kommission stets unterstützt. Dennoch sind sie 2004 an Widerständen aus dem EU-Parlament gescheitert. Seither bündeln Veolia und Suez  ihre Kraft in einer gemeinsamen Kampagne „Für effektivere Strukturen der Wasserversorger" Dies zielt auf den angeblich ineffektiven bunten Teppich zahlloser kommunaler Klein- und Kleinstversorger speziell in Deutschland aber auch in vielen anderen europäischen  Ländern. In einem Treffen mit der EU-Kommissarin für Wettbewerb beklagten sich Veolia-Repräsentanten über Diskriminierung durch öffentliche Wasserversorger. Diese sollten durch die verbindliche Einführung von Benchmarks u.a. zu mehr Transparenz und Offenheit für private Betreiber gezwungen werden.


Wer ist hier effektiv?
Mehr als 90% der deutschen Wasserwirtschaft sind in kommunalem Eigentum. Hier wird das Trinkwasser höchstens in Ausnahmefällen gechlort, in der zu mehr als 80% privaten Wasserversorgung Frankreichs dagegen fast überall. Aber auch in Deutschland schreitet die wegen der Erzeugung schädlicher Reaktionsprodukte gesundheitlich nicht zu empfehlende Chlorung voran. Seit der (Teil-)-Privatisierung der Berliner Wasserwerke bringt Veolia die Möglichkeit der Chlorierung des Berliner Wassers ins Spiel. Die kontinuierliche Wartung der Rohre wird seither mehrfach durch Risikomanagement ersetzt: Repariert wird erst nach einem Vorfall. Beim Gerätepark werden auch mal Wartungsintervalle gestreckt und bei Neuinvestitionen ist vermehrt der günstige Preis das Anschaffungskriterium. Was diese Politik langfristig bewirkt, ist im Nachbarland offensichtlich. 840.000 km der seit Jahrzehnten überwiegend (zu mehr als 80%) von Veolia, Suez und Saur kontrollierten französischen Kanalisation sind älter als 30 Jahre. Der durchschnittliche Wasserverlust in Trinkwasserleitungen liegt bei 26,4%, in Deutschland bei 7,3%.

Laut Veolia ist es ja effektiver und günstiger, zusätzliche Wasserreserven zu erschließen, statt die vor allem in Städten teure Sanierung von Rohren vorzunehmen. Vermehrter Einsatz recycelten Abwassers als Trinkwasser ist die natürliche Folge. So wundert es wenig, dass man in Frankreich wie auch in England überwiegend mit großer Sorge dem Jahr 2015 entgegengeht, wenn die europäische Trinkwasserverordnung in vollem Umfang Gültigkeit erlangen wird. In Deutschland ist die Einhaltung schon jetzt mit wenigen Ausnahmen kein Problem.


Traum von der weltweiten Nr. 1
Veolia ist 2003 entstanden als Nachgeburt des finanzpolitischen Crashs von Vivendi Universal, eines Konzerns,  der in der Zeit  des Hypes globaler  Börsenspekulationen sich anschickte, die weltweite Nr.1 aller Megaplayer im Medienbereich zu werden. Sechs Jahre vor dem weltweiten Zusammenbruch der Finanzblase zerplatzte für den Vivendi Vorstandsvorsitzenden Jean-Marie Messier der Traum vom Mister Universe im Bankrott mit dem größten Kapitalverlust in der Geschichte aller französischen Unternehmen. Geprellte Anleger aus aller Welt klagen z.T. bis heute. Inzwischen hat Veolia Wasser mit  8400 Betreiberverträgen den Traum Messiers scheinbar doch noch erreicht. Zumindest in der Welt der privaten Wasserversorger ist der Konzern die unbestrittene Nr. 1! Das noch nicht verjährte Schicksal der Mutter vergessen gemacht? Zweifler sind da wohl Realisten. Allein in 2008 verlor Veolia 70% seines Börsenwerts, während die Nettoschulden auf problematische 16,33 Mrd. € anwuchsen (bei nur 5,727 Mrd. €  langfristig verfügbarer Finanzaktiva)...........

Im Bereich der Wasserversorgung rechnen sich Investitionen z.B. in Rohre erst in einem Zeitraum von 30 Jahren, Maßnahmen zum Schutz der Grundwasserressorcen z.T. noch viel später.  Veolias Horizont ist der Abrechnungszeitraum eines Jahres, wenn nach der Bilanz Shareholder den Daumen heben oder senken. Im nächsten Jahr kann alles schon ganz anders sein. Wer will da langfristige Investitionen befürworten? Kein Anleger wird darauf wetten, dass Veolia die nächsten 30 Jahre  überlebt. Bis dahin sind sicher noch ganz andere Träume von der No. 1 of the world milliardenschwer geplatzt.